Das Manuskript ist beendet, die Bewerbungsunterlagen vervollständigt – und dann fällt einem auf einem Autorenblog über das perfekte Exposé der Punkt “Charakterbeschreibung” auf. Was? Das auch noch?
Die Charakterbeschreibung dient dazu, einen tieferen Einblick in die Protagonisten und auch den Plot zu geben. Nicht alle Verlage und Literaturagenturen verlangen eine, aber es ist auf jeden Fall eine Chance für dich, dein Projekt aus einem weiteren Blickwinkel zu beleuchten – und deinen potenziellen Geschäftspartner zu überzeugen. Heute zeige ich dir, wie du in 5 Schritten eine saubere Charakterbeschreibung ablieferst.
Inhaltsverzeichnis
Welche Charaktere?
Die erste Frage, die sich stellt, ist, welche Charaktere überhaupt in der Charakterbeschreibung auftauchen sollen. Wenn du dein Exposé bereits nach meinem Leitfaden erstellt hast,wird dir die Wahl erstaunlich leicht fallen. In der Inhaltszusammenfassung sollten nämlich nur die wichtigsten Charaktere namentlich auftauchen (also solche, die in der Inhaltsangabe mehrmals auftauchen und eine entscheidende Rolle im Plot spielen). Und auf genau diese Charaktere kannst du dann auch in der Charakterbeschreibung näher eingehen.
Aber welche Charaktere sind wichtig genug? Hier zwei Beispiele aus den Bereichen Fantasy und Romance.
Beispiel Fantasy
Worum geht’s? Eine Protagonistin wird von einem Prinzen auf eine waghalsige Reise im Kampf um den Thron mitgerissen. Mit dabei ist ein sechsköpfiges Gefolge, das sich jedoch nach und nach zerstreut, der beste Freund der Protagonistin und das Love Interest der Protagonistin, das sie aber erst in der zweiten Manuskripthälfte als Nebenstrang trifft.
Welche Charaktere würdest du hier in die Charakterbeschreibung aufnehmen?
Meine Antwort lautet:
a) Die Protagonistin (selbstverständlich!)
b) Den Prinzen: Da dieser den Plot ins Rollen bringt und eine Schlüsselfigur für das Geschehen (Kampf um den Thron) ist
c) Der beste Freund der Protagonistin (unter der Annahme, dass er das ganze Manuskript über an ihrer Seite bleibt und einen besonderen Einfluss auf sie und das Geschehen hat)
d) Optional: Das Love Interest der Protagonistin. Das Love Interest ist nur ein Nebenstrang und die Liebesgeschichte spielt eine untergeordnete Rolle. In diesem Fall wäre es bei vielen anderen Figuren vertretbar, es nicht weiter zu beschreiben. Allerdings wollen viele Verlage im Fantasy-Bereich eine Liebesgeschichte sehen, weshalb ich empfehlen würde, das Love Interest auf jeden Fall separat näher zu beschreiben.
e) Der Antagonist sollte auch nicht fehlen.
Wer nicht wichtig ist: Das Gefolge, das nur eine geringere Rolle spielt, Menschen, die sie auf ihrer Reise treffen und nur wenige Kapitel lang auftauchen, die Eltern der Protagonistin, die sie für ihre Reise verlässt, usw. usf.
Beispiel Romance
Die Protagonistin verliebt sich Hals über Kopf in ihren neuen Nachbarn. Das Problem: Am folgenden Montag stellt sich heraus, dass er ihr neuer Boss ist.
Welche Charaktere sollte man hier gesondert beschreiben?
a) Die Protagonistin
b) Das Love Interest / den Nachbarn / den Boss
c) Optional, falls vorhanden: Den Widersacher oder die Widersacherin. Oft spielt bei Liebesromanen noch eine dritte Person eine große Rolle, da sie z.B. selbst das Herz des Love Interests gewinnen will. Eine solche dritte Person sollte auf jeden Fall auch mit aufgenommen werden.
Wer nicht wichtig ist: Die beste Freundin der Protagonistin, mit der sie sich ab und zu betrinkt, der Ex der Protagonistin, der nur ein einziges Mal vorkommt, die mürrischen Kollegen, die nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Jetzt, wo wir eine kleine Zahl der wichtigsten Personen ausgesucht haben, geht es ans Eingemachte.
Eckdaten
Zu den Eckdaten gehören eigentlich nur zwei Fakten:
a) Der Name: Gerne der volle Name und der Spitzname, falls er häufig verwendet wird.
b) Das Alter ist wichtiger, als du denkst! Du selbst kennst deinen Plot am besten und weißt, wie alt deine Charaktere sind. Aber wenn das Setting nicht für ein ungefähres Alter spricht (z.B. College/Schule), könnte es für den Leser sehr schwierig werden, einzuschätzen, in welcher Altersklasse er sich bewegt. Bei einer Arbeitsplatz-Romance z.B. könnte die Protagonistin 20 oder 50 Jahre alt sein. Also lieber ganz kurz hinter dem Namen in Klammern angeben.
Jetzt geht es zur eigentlichen Beschreibung anhand von drei Punkten, über die du dir schon vor Schreiben des Manuskripts Gedanken gemacht haben sollst. Zusammenfassen lassen sie sich in einer Leitfrage:
“Wer ist der Charakter, wo kommt er her und was passiert mit ihm?”
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Hintergrund/Vergangenheit
Was ist der Hintergrund der Charaktere? Dabei meine ich nicht den Herkunftsort, die Ethnie oder den Bildungshintergrund. Sondern ihre Geschichte, ihre Vorvergangenheit, die sie maßgeblich geprägt haben. Sind ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen? Hat ihre große Liebe sie vor zwei Jahren verlassen? Sind sie von der Schule geflogen? Alles in ihrer Vergangenheit, was einen impliziten Einfluss auf den Plot hat, sollte genannt werden.
Im Fantasy-Beispiel könnte ich z.B. die gemeinsame Kindheit der Protagonistin und des Prinzen erwähnen, im Romance-Beispiel die schlimme Trennung, die die Protagonistin hinter sich hat, weshalb es ihr schwer fällt, Männern wirklich zu vertrauen.
Tipp: Sich über den Hintergrund der Protagonisten schon vor dem Schreiben Gedanken zu machen, hilft dabie, dem Manuskript mehr Tiefe zu verleihen.
Gegenwart
Wo steht der Protagonist heute? Was macht er? Wo geht er zur Schule, aufs College oder arbeitet er? Was macht er in seinem Leben, und wo liegen seine Probleme, Herausforderungen und Wünsche? Die Hauptmotivation deines Protagonisten sollte hier deutlich werden.
Im Fantasy-Beispiel könnte ich hier darüber schreiben, dass die Protagonistin dem Prinzen helfen will, um etwas aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Im Romance-Beispiel wiederum will die Protagonistin vielleicht unbedingt in ihrem Job aufsteigen, um ihre kranke Nichte finanziell unterstützen zu können, was jedoch durch ihre Liebe zum Chef erschwert wird.
Randnotiz Aussehen: Der Begriff “Charakterbeschreibung” ist insoweit irreführend, als dass er eine äußerliche Beschreibung deiner Protagonistin impliziert. Das ist in den meisten Fällen aber überhaupt nicht gefragt und bläht nur unnötig auf. Nenne äußerliche Merkmale nur, wenn es sehr auffällig und einflussnehmend ist und/oder eine große Rolle für den Plot spielt, z.B. wenn dein Protagonist nur einen Arm oder eine genetische Krankheit hat.
Entwicklung
Eine Charakterbeschreibung ist tatsächlich nicht nur eine Charakterbeschreibung – also nicht nur eine Wiedergabe des statischen Zustands vom Romanbeginn. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal in Romanen ist die Charakterentwicklung. Dein Protagonist sollte am Ende also an einem anderen (psychischen) Punkt stehen als am Anfang.
Im Fantasy-Beispiel ist meine Protagonistin zu Beginn vielleicht eine mutige Kriegerin, lernt den Krieg aber immer mehr zu verabscheuen, je tiefer sie in ihn hineingezogen wird. Im Romance-Beispiel lernt meine Protagonistin womöglich, dass nicht alle Männer gleich sind, und dass manche wenige von ihnen es wert sind, sie in ihr Herz zu schließen.
Tipp: Wenn du hier nicht weißt, was du schreiben sollst, ist das vielleicht ein Anzeichen dafür, dass dein Plot keine Charakterentwicklung aufweist. Unbedingt nachbessern!
Eine perfekte Charakterbeschreibung braucht ein perfektes Exposé. Eine praktische Checkliste findest du hier.
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